Asse? Jetzt kommt der Deckel drauf und darunter wird es brodeln.

Ende des Jahres 2011 hat sich ein Abteilungsleiter vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter sich in einem Vermerk gegen die Rückholung der Abfälle ausgesprochen.
 
Der Landesumweltminister von Niedersachsen, Hans-Heinrich Sander (FDP), griff dieses auf und erklärte daraufhin, ihm sei schon immer klar gewesen, "dass die größere Gefahr entsteht, wenn man die einzelnen Fässer rausholt".
 
König, Leiter des Umweltbundesamtes und somit Chef des oben genannten Ableilungsleiters, erklärte am 29.12.2011 in einem Artikel der Braunschweiger Zeitung im Gegensatz zu seinem Mitarbeiter, dass er die Spekulationen entschieden zurückweist, wonach eine Bergung des Atommülls aus der maroden Grube nicht mehr möglich sein soll.
 
Unterschiedliche Meinungen im Umweltbundesamt? Oder hat der Abteilungsleiter schon vorab ohne Zustimmung seines Chefs verkündet, wie Herr König wirklich darüber denkt?
 
Es scheint fast so: König verweist nämlich schon vorsorglich auf den "schlechten Zustand des Grubengebäudes" und fordert, die Erkundung zu beschleunigen. Er hinterfragt in diesem Zusammenhang auch einzelne von Sanders Ministerium verhängte Auflagen etwa zur Stickstoffbeschaffung (Anm.: zwecks Löschung etwaiger Brände bei der Bergung).
 
Herr König hinterfragt und fordert nur. Er drängt nicht und ordnet an.

Darf er wahrscheinlich auch nicht, da ihn Bundesumweltminister Röttgen zur Ruhe mahnt.

Denn wie sagt König so schön?: „Die Richtung werde nur geändert, wenn deutlich werde, dass der Berg uns die Zeit nicht lässt für eine Bergung“.
 
Doch der Berg lässt nicht mehr viel Zeit, und die nimmt man sich eben durch weitere Anhäufung von Auflagen. Bis es endlich und angeblich zu spät ist.

 

Und dann Beton rein und Deckel drauf. Und dann brodelt es da unten. Bis es knallt in Form einer Grundwasserverseuchung.

 

Und dann, wenn es zu spät ist, wird vielleicht sogar einmal die Staatsanwaltschaft tätig.
 

 

 

Und so fing alles an.

 

Der Salzabbau wurde 1964 eingestellt und das Werk 1965 an den Bund für die Lagerung radioaktiver Abfälle verkauft.

Inzwischen "strahlt" das gesamte Areal nicht nur für den Wanderer sondern auch für die Bevölkerung der gesamten Region eine mulmige Atmosphäre aus. Denn seit 1965 diente es der Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF) zur Durchführung von Forschungen auf dem Gebiet der Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle.

 

Zu diesem Zweck wurden dort lt. der Fa. HEW bis Ende 1978 schwachaktive und mittelaktive Abfälle (Anm.: In bis zu 996 Meter Tiefe) eingelagert worden. Für hochaktive Abfälle hat man angeblich bisher noch keine Endlagerungsmöglichkeiten geschaffen, da derartige Abfälle bislang nur in geringen Mengen angefallen sind.

 

Eine glatte Lüge: Denn nachweislich wurden auch hochaktive Abfälle, wie Plutonium, eingelagert.

 

Lt. GSF war die Strahlenbelastung im Bergwerk geringer als die natürliche über Tage. Zur Demonstration wurden Führungen angeboten. Also für die GSF zu dieser Zeit durchaus auch ein Ausflugsziel!

 

Lt. einer Broschüre aus dem Jahr 2004 der GSF sollten bis Ende 2003 die Hohlräume mit Rückstandssalzen aus dem ehemaligen Kalibergwerk Ronnenberg bei Hannover verfüllt worden sein. Anschließend würden die Einlagerungsbereiche mit Barrieren verschlossen, die Maschinen zerlegt und nach oben verbracht. Abschließend wird der Schacht verfüllt. Abschluss der Arbeiten voraussichtlich 2013.

 

Doch dank des berechtigten Misstrauens aufmerksamer Bürger wurden Verfehlungen und Vertuschungen seitens des mit der Abwicklung der Arbeiten beauftragten Helmholtz-Institutes aufgedeckt. Der von engagierten Bürgern gegründete Verein "AufpASSEn" machte mit zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen die Bevölkerung und die Politiker/innen der Region auf die von dem "Forschungsobjekt Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle" ausgehenden tödlichen Gefahren aufmerksam.

 

In seiner Rede vom 02. September 2008 wirft Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) den Betreibern des Atomlagers Asse in Niedersachsen - dem niedersächsischen Landesbergamt und der Helmholtz-Gesellschaft München (HMGU) - schwerwiegende Versäumnisse und Verstöße gegen Vorschriften vor. Weder die Betreiber noch das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) als bergrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde hätten das Verfahren nach atomrechtlichen Maßstäben geführt, sagte Gabriel in Berlin bei der Vorstellung des vom niedersächsischen Umweltministerium vorgelegten Statusberichts Asse. "Die Befürchtungen zum Zustand der Asse wurden bestätigt, außerdem wurden schwerwiegende Mängel im bisherigen Umgang festgestellt." Laut Gabriel ist nicht auszuschließen, dass in der Asse vor Jahrzehnten auch hochradioaktive Stoffe eingelagert wurden. Die Anlieferungsbedingungen würden erst seit 1970/71 aufgezeichnet. Für die Jahre davor "haben wir keine Gewissheit und können uns nicht der Auffassung anschließen, dass auf keinen Fall hochradioaktive Stoffe eingelagert wurden".

 

Der TÜV hatte zuvor in einem Gutachten das Gegenteil behauptet.

 

Dem Statusbericht des Landes Niedersachsen zufolge sind die Betreiber seit langer Zeit ungenehmigt mit radioaktiven Stoffen umgegangen. Der Umgang mit radioaktiven Abfällen im Betrieb sei nicht sachgemäß gewesen. Zudem seien Dokumentationsstandards bei Strahlenschutzanweisungen nicht eingehalten worden. Es sei auch nicht gänzlich auszuschließen, dass weitere Abfälle auftauchten, die bisher nicht bekannt seien.

 

Die Betreiber hätten zudem keine ausreichende Fachkunde im Atom- und Strahlenschutzrecht. Durch Baumaßnahmen würden sie neue Risiken schaffen und Maßnahmen ohne ausreichende Kenntnis über Rückwirkungen auf die Störfallsicherheit und Langzeitsicherheit treffen. So führe die Verfüllung von Kammern dazu, dass irreversibel unkontrollierte neue Wegsamkeiten für Laugenzutritte auftreten könnten.

 

Gabriel nannte es außerdem einen unglaublichen Vorgang, dass die Undichtigkeiten des Bergwerks nicht erst 1988 bekanntgeworden seien, wie der Betreiber behauptet habe, sondern bereits vor 1967. Die Atommüll-Fässer seien damals in feuchten Kammern eingelagert worden, wie die Befragung von Mitarbeitern ergeben habe.

 

"Es gab nie ein sicheres Endlager Asse, sondern es wurden bewusst Informationen zu Laugenzutritten unterdrückt", sagte Gabriel.

 

Er nannte den Statusbericht weiter den "psychologischen Gau für die Endlagerdebatte in Deutschland". Die Folgen der Versäumnisse in Asse würden nun bei der Bevölkerung bei jedweder Diskussion über Endlager negative Reaktionen hervorrufen.

 

Dem Helmhotz-Institut wurde zum 31.12.2008 der Forschungsauftrag entzogen. Die Asse gilt ab dem 01. Januar 2009 nicht mehr als Forschungsbergwerk, sondern als Endlager für Atommüll - und fällt damit unter Atomrecht.

 

Im gleichen Zuge wird mit sofortiger Wirkung das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS/Salzgitter) über die Zukunft des alten Bergwerkes entscheiden. Die zu diesem Zweck gegründete Asse GmbH wird auf Anweisung des Bundesamtes die Stilllegungs- und Sicherungsmaßnahmen durchführen.

 

 

 

Der Schriftsteller Hubert Mania hielt schon 2008 die Rückholung des Atommülls für fast ein Tabu.

 

Der Braunschweiger Schriftsteller Hubert Mania beschäftigte sich seit Jahren mit dem Asse-Bergwerk. Nachdem im Sommer 2008 der Umgang mit kontaminierter Lauge im Salzstock bekannt wurde, verfasste Mania einen 33-seitigen Text mit dem Titel „Die weißen Sümpfe von Wittmar — Eine kurze Geschichte des Atommüllendlagers Asse II“, in dem er die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Asse allgemeinverständlich darstellt.

 

Zu den Fragen, in welcher Form sich ihm die Lage 2008 darstellte, antwortete er damals:

 

"Es  wurde verschwiegen, dass die Feuchtigkeit in dem ehemaligen Bergwerk bereits in den 60er-Jahren vom Kali- in den Steinsalzbergbau eingesickert war und dass man in der Asse 1967, zum Zeitpunkt der Einlagerung, durchs Wasser waten musste.

 

Das ist der eigentliche Skandal: Damals wurde Atommüll in feuchte Kammern eingelagert. Diese Tatsache wurde allerdings in der Berichterstattung im letzten Jahr rund um die Asse nie in den Vordergrund gestellt.

 

Der radioaktive Sumpf vor Kammer 12, der die Öffentlichkeit u. a. beunruhigt, ist ja nur ein Symptom der 40 Jahre währenden Schluderei. Ich selbst fühle mich als unabhängiger Beobachter dieses Irrsinns. Mein Wissen habe ich im Prinzip von einer Handvoll unabhängiger Wissenschaftler und von den Behörden. Alles ist bereits in frei zugänglichen Quellen vorhanden und dokumentiert — selbst das brisante Thema „Rückholung“ wird beschrieben. Der damalige Betreiber der Asse, das Helmholtz-Institut, hat ab dem Jahr 2000 drei Dokumentationen angefertigt, in denen Wissenschaftler beschreiben, was es bedeutet, den Atommüll aus dem Berg herauszuholen. Beteiligt war auch ein unabhängiges Ingenieursinstitut.

Im Grunde habe ich das mit meinen eigenen Gedanken versehen und zusammengeführt. Nicht mithilfe von technokratischen Ausdrücken oder Bergmanns-Deutsch, sondern so, dass es jeder verstehen kann.

Ich war ziemlich erschüttert, als mir klar wurde, was die Rückholung bedeutet, wenn sich alle Beteiligten darauf einigen würden.

Im Prinzip muss dann ein Zwischenlager oberhalb von Remlingen existieren oder aber der Atommüll direkt unten im Bergwerk aufgearbeitet und konditioniert - also behandelt - und in neue Behälter verpackt werden. Denn dadurch, dass die Fässer gequetscht und 30 Jahre gelegen haben, ist damit zu rechnen, dass jede Schaufel Salz und auch alle benutzten Geräte kontaminiert sind. Es entsteht also bei der Rückholung noch mehr radioaktiver Abfall — ganz abgesehen von den Menschen, die die Arbeit erledigen müssen, und der Luft, die nach außen dringt und durch aufgewirbelte Plutonium-Stäubchen verseucht wird."

 

Auf die Frage, ob, es ist technisch machbar ist, den Atommüll aus der Asse zu holen, ohne dass Strahlung freigesetzt wird, antwortet er äußerst skeptisch:

 

 "Das ist ein sehr schwieriger Punkt, fast ein Tabu. Alle hier in der Gegend sprechen sich natürlich für das Modell der Rückholung aus, aber die Rückholung umfasst Dimensionen, über die sich noch niemand wirklich Gedanken gemacht hat. Der Müll würde ungefähr 100 Einfamilienhäuser füllen. Stellen Sie sich vor: Das wäre eine ganze Siedlung oben auf dem Berg. Wenn man sich dieses Bild vor Augen hält, bekommt man eine Ahnung, was eine Rückholung bedeutet. Unabhängig davon, weiß keiner, welche explosive chemische Zeitbombe im Berg liegt:"

 

Was passiert, wenn das gesamte Spektrum von Alpha-, Beta- und Gammastrahlern mit verschiedenen Chemikalien in aggressiver Salzlösung umgegraben wird?

 

 "Für die Problemlösung muss nun konstruktiv zusammengearbeitet werden. Die Zeit der Gegnerschaft ist meiner Meinung nach vorbei."

 

Quelle: ELM EINBLICKE Informationsblatt 02/2009 des Bundesamtes für Strahlenschutz

 

Jürgen Mewes

             

 

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